Blockchain in der Praxis: 5 Anwendungen für den Alltag zeigen das vorhandene Potenzial

  • Axel Daffner, Geschäftsführer Pegasos Capital und Fondsberater ART Transformer Equities

Die Blockchain ist in aller Munde. Immer häufiger taucht diese revolutionäre Technologie in den Medien oder bei Gesprächen auf. Einfach ausgedrückt handelt es sich bei der Blockchain um ein Netzwerk, auf dem sich Transaktionen und unterschiedliche Assets – sowohl materielle Dinge wie Häuser, Autos oder Geld als auch geistiges Eigentum, beispielsweise ein Urheberrecht – eintragen lassen. In einer Art Hauptbuch (Ledger) sind sämtliche Informationen und Abläufe transparent und unveränderlich aufgezeichnet. Einsicht haben nur die Teilnehmer der jeweiligen Blockchain.

So weit, so gut. Aber wo liegt der praktische Nutzen? Berührt uns diese Technologie eigentlich schon im Alltag? Hier hilft zunächst ein Blick auf das Internet. Man möchte es kaum glauben: Das „World Wide Web“ wurde bereits 1969 erfunden, als erstmals zwei Computer per Telefon interagierten. Doch es musste einiges an Zeit verstreichen, ehe das Internet in den unterschiedlichsten Lebensbereichen für massive Veränderungen sorgte.
Die Blockchain ist gerade einmal elf Jahre alt. Und doch entstehen schon jetzt Anwendungen mit einem echten disruptiven Potenzial.

Wir stellen im Folgenden fünf Beispiele vor.

1.    Wir werden zu unserer eignen Bank
Der regelmäßige Besuch einer Bankfiliale war für Sparer und Konsumente lange Zeit Gang und Gäbe. Heute setzten vor allem die jüngeren Generationen den Bankenschalter mit der Internetseite des entsprechenden Instituts gleich. Die Bank selbst wird immer mehr zu einer Art Back Office. Einfach ausgedrückt vierdienen diese Unternehmen ihr Geld mit der Zusage, dass unser Geld noch dort ist.

Diese Dienstleistung kann ein Blockchain problem- und vor allem kostenlos übernehm: Wir können unser Geld digital auf der Blockchain aufbewahren und werden damit zu unserer eigenen Bank. Die Möglichkeiten gehen weit über die einer Verwahrstelle hinaus. Decentralised Finance, kurz DeFi, macht die Blockchain perspektivisch auch zum Broker und Loan Officer. Einen Beweis für ihre Sicherheit hat diese Technologie erst kürzlich geliefert: Ein Hacker hatte zunächst erfolgreich 600 Millionen US-Dollar aus einem DeFi-Netzwerk geklaut. Der Dieb musste anschließend allerdings feststellen, dass er mit den gestohlenen Kryptowährungen nichts anfangen kann. Grund: Sämtliche von ihm getätigten Transaktionen waren nachvollziehbar. Nach kurzer Zeit hatte der Hacker die Beute wieder an die ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben, da Sie für ihn nicht 600 Millionen sondern genau null Dollar wert war.

Auffallen wird uns der Wandel des Bankengeschäfts eigentlich nur in Form der erheblich geringeren Kosten und eines deutlich höheren Komforts.

2.    Digitale Zahlungen an jeder Milchkanne
Die Pandemie hat an vielem gezehrt, was uns lieb ist, sogar an der deutschen Vorliebe für Bargeld: Mobile Payments sind inzwischen ein bequemer Standard. Kleine Händler tun sich aber teilweise noch schwer mit digitalen Zahlungen. Sie müssen einerseits das Risiko bei Chargebacks von Kreditkarten tragen. Darüber hinaus lechzen die Geschäfte unter der Kaskade an Gebühren, welche Services wie Apple Pay, Visa, andere Zahlungsdienstleister oder Banken für den bargeldlosen Geldtransfer aufrufen. Als Kunde wiederum spürt man bei dem derzeitigen Allzeithoch an Kreditkartenbetrug immer noch etwas Unwohlsein beim Zahlen an unbekannten Terminals.

Blockchainbasierte Zahlungssysteme werden in Anbetracht der immer besseren Skalierbarkeit von Blockchains die neue Norm zum Wohle von Käufer und Verkäufer werden.

3.    Die Öffnung bisher verschlossener Assetklassen
Neobroker wie Trade Republic oder Robinhood haben Privatanlegern den Aktienmarkt mit verschwindend geringen Transaktionsgebühren geöffnet. Derweil bleiben vielversprechende Anlageklassen wie beispielsweise Private Equity noch immer der Finanzelite vorbehalten. Allerdings gehen selbst die erfahrensten Private Equity-Investoren inzwischen dazu über, Co-Investment-Modelle für Ihre Buyouts oder Übernahmen anzuwenden. Solche Ansätze lassen sich mit Hilfe der Blockchain-Technologie digital abbilden. Durch die so genannte Tokensierung ist ein Zugang von Retail-Investoren in die Welt der Private Equity denkbar.

Auch der Bereich Venture Capital zieht immer mehr Investoren mit seinem Appetit auf Einhörner an. Aber warum dürfen hier nur professionelle Investoren zugreifen? Zwar haben Unternehmen wie LIQID den Eintrittspreis für die beliebtesten Venture Capital-Fonds auf etwa 250.000 Dollar gesenkt. Dennoch bleibt hier noch viel Raum nach unten.
Es muss nicht immer unbedingt Eigenkapital auf die Blockchain. Seien es Autos, Wein, Kunst, Uhren oder das Leasing von Maschinen an Unternehmen: Es gibt eine Vielzahl an weiteren Assets, die auch für Privatanleger interessant und aussichtsreich sein können.
Die Anfänge dieser Zugänglichkeit sieht man beispielsweise bei der Amazon-Aktie. Der Kurs des E-Commerce-Giganten marschiert in Richtung 4000-Dollar-Marke. Auf einen Aktiensplit warten Anleger dennoch vergeblich.

Einen – rein optisch oder in absoluten Beträgen betrachtet – günstigeren Einstieg bietet die Ethereum-Blockchain. Hier ist die Amazon-Aktie über einen Asset Backed Token bereits ab einem Euro erhältlich.

4.    Sicherer Online-Handel durch Smart Contracts
Um ein Haar hätte die N26 Bank wegen Online-Betrügern ihre Lizenz verloren. Halbseidene Gestalten sollen über das Smartphone-Geldhaus Geschäftskonten für Internetshops eröffnet und dann Bestellungen und Bezahlungen angenommen haben. Die Ware wurde aber nie ausgeliefert. Offenbar waren hier Kunden, Banken, Aufseher und Zahlungsdienstleister gleichermaßen überfordert. Wünschenswert wäre eine Bezahloption, welche ohne zusätzliche Recherche Vertrauen schafft.

Die drittgrößte Kryptowährung Cardano macht es vor: Sie hat eine Smart Contract-Funktion eingeführt, mit der sich die Zahlung an eine Bedingung knüpfen lässt, beispielsweise an eine Zustellungsbestätigung oder eine Auslieferbescheinigung von Shopify. Auch weitere Zahlmöglichkeiten eröffnen sich hier. Beispielsweise ist es kein Problem mehr, an einer Elektroladesäule mit einer Kryptowährung per QR Code zu bezahlen. Nach diesem Vorgang wird unmittelbar die der transferierten Geldsumme entsprechende Strommenge freischaltet. Kunden müssen dabei keinen Zugriff auf die Kredit- oder Debitkarte erlauben.

Selbst Amazon hat durch seine Pay-Funktion bereits damit begonnen, eine websiteunabhängige Bezahl- und Reklamierfunktion einzuführen. Dieser Schritt findet großen Anklang.

5.    Digital Government and Identity
In Deutschlands Großstädten waren Behördengänge noch nie ein Vergnügen. Neben gefühlt endlosen Wartezeiten trüben nicht gerade übermotiviert Mitarbeiter die Freude. Der praktische und emotionale Aufwand ist riesig, allein um die eigene Identität nachzuweisen und in ein zentrales Register eintragen zu lassen. Dabei sind Standesamt, Kfz-Register oder das Ausweissystem für eine Verlagerung in die Blockchain geradezu prädestiniert.
Ganz zu schweigen vom Grundbuch: Gerade viele junge Familien müssen heutzutage finanziell an ihre Grenzen gehen, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Notar- und Grundbuchkosten kommen oben drauf. Einen Mehrwert liefern diesen Aufwendungen nicht wirklich. Sinnvoller wäre es, dieses Geld für eine Einbauküche zu verwenden.

In der Blockchain könnten die Grundbuch-Formalitäten sicherer und für einen vergleichsweise geringen Obolus abgewickelt werden – eine Alternative, die den Notaren kaum gefallen dürfte.

Fazit: Langsam flaut der erste Hype um die Blockchain ab. Der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung verschiebt sich immer mehr in Richtung wertschaffende Applikationen. Einen Beleg für diese These liefert die Zunahme der DeFi-Volumen auf derzeit mehr als 80 Milliarden US-Dollar jährlich. Auch wenn sich diese Summe damit innerhalb eines Jahres verzehnfacht hat, stehen wir erst am Anfang einer spannenden und mit vielen Vorteilen verbundenen Entwicklung.

 

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